(Tor) Tour de Diabetes vorzeitig beendet: Blick hinter die Kulissen

Nach dem Etappenziel Hannover hatte ich mich entschieden, die (Tor)Tour de Diabetes zu beenden. Zwei Etappen lang hatte ich mich je 140 Tageskilometer mit Magen-/Darm-Schmerzen und -Krämpfen auf dem Bike gequält. 140 Kilometer sind für mich gut zu schaffen, ob nun mit oder ohne eBike oder auch laufend ;). Mit Magen-/Darm-Problemen macht es jedoch wenig Spaß, wie man sich vorstellen kann.

Die Entscheidung, die Tour de Diabetes zu beenden ist mir nicht leicht gefallen, die meisten wissen, wie sehr ich mich darauf gefreut habe. Und diejenigen, die mich noch besser kennen, wissen auch, dass ich so schnell nicht aufgebe, 2011 einen Marathon mit einer Stressfraktur im Tibial Plateau zu Ende gebracht habe… Oder auch mal mehrere Marathons am Stück durchlaufe, auch mit Darmblutung, Rückenproblemen und verwundeten Füßen.

Hier auch noch mal ein kleiner Einblick in die Vorbereitungen zur Tour de Diabetes:

Das ist wie eine Tür, da musste durch! So lautet(e) mein Leitsatz…

Da ist ne Tür Tour, da musste durch… Aber muss ich das wirklich? Diese Frage verfolgte mich gegen Ende der zweiten Rad-Etappe der Tour de Diabetes. Eine sehr gute Freundin, hat mir mal gesagt, wenn ihr ein Buch nicht gefällt, liest sie es nicht zu Ende. Recht hat sie, die Lebenszeit ist zu begrenzt, um zwanghaft alles durchzuziehen. Doch schwierig im Leben dahingehend die Grenzen festzulegen.

Da es mir gesundheitlich Stunde um Stunde schlechter statt besser ging, wurde für mich bald klar, bis hierhin und nicht weiter. Gesundheit geht nun mal vor. Das Angebot, für kurze Zeit im Wohnmobil mitzufahren, das einige verletzungsbedingt oder weil sie sich verfahren hatten, netterweise schon beanspruchen durften, bestand auch für mich. Allerdings war/ist das für mich keine Option. Nicht zuletzt aufgrund der unangenehmen Magen-/Darmbeschwerden. Und wenn, dann möchte ich solche Projekte RICHTIG zu Ende bringen, ganz oder gar nicht.

Die Ursache meiner gesundheitlichen Beschwerden wollte abgeklärt werden, meine Vermutung: eine Kombination aus Stress und nicht-glutenfreiem Brot. Ggf. sogar ein Morbus-Crohn-Schub, der natürlich auch wiederum durch Stress hervorgerufen werden kann.

Der Stress: (Tor) Tour de Diabetes?

Tatsächlich hat mich die Tour gestresst. Ich war noch im Arbeitsmodus, hatte dieses Jahr noch keinen Urlaub nehmen können. Außerdem hatte ich noch die Bedingung im Hinterkopf, dass ich auch von unterwegs aus arbeiten musste, damit ich trotz Urlaubssperre, Urlaub für die Tour de Diabetes nehmen konnte.

Ich kann nur von den zwei Tagen berichten, aber zum „von unterwegs aus“ Arbeiten war definitiv keine Sekunde Zeit. Abends in den Jugendherbergen standen neben Betten beziehen, Fahrräder abschließen, Klamotten sortieren, Akkus laden, duschen, Essen machen/fassen, Besprechung des nächsten Tages, Gruppen-Aufteilung, noch einiges mehr auf dem Plan. Da reichte es gerade noch für einen Blutzucker-Check und die eigene Diabetes-Planung, bevor die Augen schon von ganz alleine zu fielen.

Morgens starten wir früh, um alles noch zusammen zu packen, die Bikes vorzubereiten, Getränke-Flaschen zu füllen und frühstücken zu können, um es dann pünktlich zum Pressetermin am Nachmittag zu schaffen. Oder auch nicht ;)…

Problem war dabei, dass die Navis leider oft ausfielen, wir somit  ziemlich verloren dastanden und sogar einige extra Kilometer gefahren sind, wenn wir nicht alle zusammen als Einheit fuhren. Aber Hypos, Toiletten-Pausen oder das Warten auf die letzten Fahrer führten zu Zeitverzögerungen. Außerdem waren die Wohnmobile nicht immer vor uns an den vereinbarten Pausen-Treffpunkten, so dass es uns an Energie, Getränken und Räder-Akkus fehlte. Essen konnte ich aber aufgrund der Magen-/Darm-Geschichte eh nicht ausreichend. Von daher ;/…

Natürlich war ich fertig mit den Nerven… Und ich konnte die wirklich schön ausgewählten ersten zwei Etappen nicht genießen. Sascha, Heiko und Hendrik, aber auch Marianne und Judith schafften es zeitweise mich abzulenken :-*.

Die Teilnehmer, der Gruppen-Zusammenhalt bei der Tour de Diabetes

Mit einigen der Teilnehmern habe ich zeitweise echt interessante Gespräche über Diabetes, Sport, Gott und die Welt geführt, wenn der Schmerz und der Stress im Hinterkopf das zuließen. Ich habe die meisten auf ihre Art und Weise sehr lieb gewonnen. Dazu reichten drei Tage, zwei Nächte, zwei Bike-Touren und Unterhaltungen via Whats App und Facebook im Vorfeld.

Bestes

Wir Teilnehmer hatten jedoch sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Ablauf der Tour de Diabetes, was mitunter dazu führte, dass die Ersten auf die langsameren Genuss-Fahrer warten mussten und sich die langsameren Fahrer wiederum von der Spitze unter Druck gesetzt fühlten. Nicht nur deshalb gab es schon nach dem ersten Tag auf dem Rad durchaus nachvollziehbare Auseinandersetzungen und Diskussionen.

(Fast) Alle für einen, Einer für (fast) alle ;). Der Gruppenzusammenhalt funktionierte meistens schon recht gut. Wenn es darauf ankam, hielt man zusammen. Zumindest im Großen und Ganzen…

Die Botschaft der Tour de Diabetes und die Vorurteile

Haben wir das Thema „Diabetes und Sport“ ins rechte Licht gerückt? Oder wurde die Botschaft, dass man auch mit Diabetes große sportliche Herausforderungen meistern kann, durch die Tatsache abgeschwächt, dass wir auf eBikes gesessen haben!? Tatsächlich blieben Kommentare von Dritten wie „Mit Motor kann ja jeder!„, sowohl im Vorfeld als auch während der Tour nicht aus. Allerdings kommen solche dummen Kommentare meistens von Neidern oder Leuten, die noch nie auf einen eBike gesessen oder nicht mal 10 Kilometer auf dem Rad durchhalten können.

Dennoch waren sie abzusehen. Solche Kommentare gehen zwar links rein, rechts raus, hinterlassen aber dennoch ihre Spuren und haben es ja an dieser Stelle auch wieder in diesen Blog-Beitrag geschafft ;-P. Ich durfte mir im Vorfeld sogar anhören: „12 Invalide auf E-Bike-Tour„… WIRKLICH WAHR! Beschämend!!! Ich denke aber, dass die Botschaft der Tour den ein oder anderen im positiven Sinne erreicht hat!

Die Organisation der Tour de Diabetes

Beschweren können wir uns immer alle ganz gut ;). Das möchte ich nicht, allein auch deshalb, weil ich nur zwei Tage und das im doppelten Sinne „unter Strom“ auf dem Rad saß. Dennoch kam es zu Beschwerden… Denn natürlich ist es ärgerlich, wenn

  • Navis nicht funktionieren,
  • auf Grund der angepeilten aber von den wenigsten Teilnehmern erreichten Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h die Zeitplanung nicht funktioniert,
  • die Schnellsten nicht auf die Langsamsten warten, auf Stürze und Hypos wenig Rücksicht nehmen,
  • Probleme mit unangemessenen oder defekten Fahrrädern belächelt werden,
  • der Ersatz-Akku für das Fahrrad zur falschen Zeit am falschen Ort ist,
  • die Unterkunft und das Essen (nicht ganz unwichtiger Punkt bei Diabetes, auch in Zusammenhang mit Unverträglichkeiten) enttäuschen oder/und
  • die Aufgaben drum herum, etwa Betten beziehen, Bike-Akkus laden, Navi-Systeme organisieren, verträgliches Essen organisieren an die Substanz gehen.

Sicher ließen die Ankündigungen im Vorfeld mehr erwarten, wodurch der ein oder andere und da will ich mich auch nicht ausnehmen, mit zu hohen Ansprüchen die Tour de Diabetes angegangen ist. Doch wie kann man es besser machen? Man benötigt nicht zu letzt mehr Man-Power, die wiederum aber auch bezahlt werden will. Mit wenig Budget Großes auf die Beine zu stellen ist eine Herausforderung, wie ich sie auch gerade mit „Diabetes läuft.“ erfahre. Es mangelt an Sponsoren-Geldern bei Pilot-Projekten. Schade!

Um das Wichtigste hat man sich jedenfalls bei der Tour de Diabetes bemüht und gekümmert: um unsere Gesundheit. Ein Diabetologe, eine Diabetes-Beraterin und ein Stoffwechsel-Wissenschaftler haben uns im Wohnmobil (vereinzelt auch auf dem Rad) begleitet. Mit den Abbott FreeStyle Libre fühlen wir uns alle aber viel sicherer und konnten die Etappen alle deutlich entspannter angehen, der Glukose-Trendpfeil macht es möglich.

Letztendlich denke ich, dass es eine große Herausforderung ist, eine solche Tour zu organisieren. Die Route, Unterkünfte, Sponsoren, eBikes (Akkus, Gepäcktaschen, Navigationssysteme), Begleiter der Tour (Diabetolgen, Presse, Techniker)… Hinzu kommen Absprachen mit Teilnehmern, etwa Alter, Krankheit, Typ 1, Typ 2, Diabetesdauer, Medikamente, Unverträglichkeiten… Das Einfordern von Attesten, Absicherung etc. pp. Dafür meinen ganz großen Respekt.

Die Tour de Diabetes fand/findet derzeit das erste Mal statt, es ist ein Pilot-Projekt. hinter dem eine richtig klasse Idee, viel Herzblut, Arbeit und Organisation stecken. Bemerkenswert finde ich auch, dass Fotograf Mike, einer der Initiatoren, die Tour im Vorfeld mit einem normalen Fahrrad geradelt ist. Klasse Leistung!

Fotos der Tour de Diabetes

Nicht immer sagen Bilder mehr als tausend Worte…

Mein Fazit zur Tour de Diabetes und mein aktueller Gesundheitszustand

Ich denke, ich habe hier nun wirklich viele, vielleicht zu viele, ehrliche Worte hinterlassen, die mir jedoch auch auf dem Herzen lagen. Danke an dieser Stelle, wer sie gelesen hat.

Das Projekt an sich ist eine richtig klasse Aktion/Idee gewesen ohne Frage und ich hoffe, dass dieses Projekt auch im nächsten Jahr wieder stattfinden wird. Optimierungen würde ich mir insbesondere in Sachen Zeitmanagement/Navigationshilfen, Ernährung, Unterkünften und Zusammenhalt wünschen. Die Route an sich war wunderschön, wahnsinnige Landschaften und Sehenswürdigkeiten. Schön wäre natürlich auch noch etwas mehr Interesse seitens der Pharma, der einzelnen Städte und Presse/Öffentlichkeit gewesen. Ich ziehe meinen Hut vor den Initiatoren, die mit wenig Budget und Man-Power für uns Diabetiker diese Tour de Diabetes auf die Beine gestellt haben. DANKE!

Mir geht es deutlich besser, mein Magen-Darm-Trakt hat sich wieder beruhigt. Die Ärzte haben mir mehr Ruhe und Schlaf verordnet und weniger Stress und Grübeleien. Tatsächlich habe ich mir beruflich und privat viel zu viele Projekte zugemutet und mich zu sehr verausgabt. Die Nerven lagen blank, schon vor der Tour de Diabetes. Nun merke ich, wie ich in meinem (wenn auch kurzen) Urlaub gerade etwas runterkomme, Projekte ausblende. Ich laufe, bike (aber wieder ohne Motor und in den „Bergen“ ;)), schwimme, mache Yoga, genieße Zeit mit Hendrik, meinen Katern, Family und Freunden, um Energie zu tanken. Und jetzt ratet mal, wie meine Blutzuckerwerte das finden?

Geteilte Freude ist doppelte Freude!Share on Google+Share on FacebookTweet about this on TwitterPin on Pinterest