Ich bin ich…

…über mich (wen’s denn interessiert), mein (er-)Leben mit Diabetes Typ 1. Zunächst ein Video mit Philipp Lahm:

Diabetes jetzt erst recht. Videodreh mit Philipp Lahm

AOK-Buch (Leitfaden für Typ-1-Diabetiker)

Hier als PDF frei verfügbar!

Diabetes AOK Buch
Diabetes AOK Buch: Ein Leitfaden für Patienten mit Typ-1-Diabetes

Und nun meine Diabetes-Geschichte

Ich war 14 Jahre alt, als die Diagnose meines Hausarztes „Diabetes Typ 1“ lautete. Damit konnte ich damals nicht viel anfangen. Erst in der Klinik verriet mir die Krankenschwester, was mich künftig erwartet: Sieben Mal am Tag den Blutzucker messen, Tagebuch schreiben, keinen Zucker mehr essen und etwa vier Mal am Tag selbst das Insulin spritzen. Gleichzeitig hielt man mir den Diätplan vor die Nase, zeigte mir das Messgerät, erklärte dessen Funktion und steckte mir die erste Einwegspritze in den Bauch, die sie vorher mit Insulin aufgezogen hatten. Die Diagnose „Diabetes Typ 1“ traf mich schon wie ein Schlag ins Gesicht. Obwohl ich mich manchmal sogar frage, ob ich nicht sogar mehr am Klinikaufenthalt als an der Diagnose zu knabbern hatte. Nun ja: Drei Wochen war ich nun in der Klinik damit beschäftigt:

  • von morgens bis abends und sogar nachts den Blutzucker zu messen,
  • Insulin zu spritzen (was ich trotz meiner Angst, am zweiten Tag können musste),
  • mich nach dem strengen Diätplan zu ernähren, diesen Plan und
  • Aktivitäten zu protokollieren,
  • drüber nachzudenken, wie viele BEs die Lebensmittel haben,
  • den Insulinbedarf danach auszurichten,
  • ins Labor und zu Untersuchungen zu rennen und
  • an Schulungen teilzunehmen.

Dabei beobachtete ich weitere Diabetes-Patienten in der Klinik, die unter Folgeschäden litten. Täglich wies man mich daraufhin, was der Diabetes für Folgen mit sich bringen kann. In mir brach eine Welt zusammen. Ich gab mir selbst die Schuld an der Krankheit, verstand vieles noch nicht.

Ärzte und Schwestern hatten kaum Zeit sich zu kümmern, die Patienten waren mindestens 30-40 Jahre älter als ich und überwiegend Typ-2-Diabetiker. Und so wurde ich auch behandelt. Psychologische Hilfe wollte ich damals, im pubertären Alter nicht annehmen. Meine Eltern waren verzweifelt, besorgt und litten mit. Als ich endlich „freigesprochen“ und wieder aus der Klinik entlassen wurde, habe ich eigentlich mit kaum jemandem außer meinen Eltern über die Krankheit gesprochen, obwohl der Diabetes damals mein Leben bestimmte:

Meinen Tagesablauf habe ich von nun an von vorne bis hinten durchgeplant. Ich habe mich an alle Vorgaben der Klinik strengstens gehalten. Das Essen wurde Milligramm-genau abgewogen, die Essenszeiten und Zwischenmahlzeiten galt es punktgenau einzuhalten (egal, ob ich Hunger hatte oder nicht) und alles wurde selbstverständlich im Diabetes-Tagebuch protokolliert. So hatte ich es schließlich in der Klinik gelernt. Auf Familienfeiern gab es ab nun nicht mehr meine Lieblings-Marzipan-Mohn-Torte, sondern drei Diät-Kekse, wenn überhaupt. Die Aufmerksamkeit war mir sicher und das hat mich sehr belastet.

Dadurch kam es bei mir bald zum Kontrollzwang und zur Essstörung. Ich habe mich immer mehr von meinen Freunden isoliert, habe auch eine Angststörung entwickelt und litt unter Depression. Mit etwa 20 Jahren habe ich dann eine Trotzphase erreicht. Bin quasi von einem Extrem ins andere verfallen. Der Diabetes hat mich nicht mehr interessiert: Blutzuckerwerte wurden nur noch selten gemessen, Insulin auch mal „vergessen“. Ich habe mich so richtig hängen lassen. Doch mir wurde glücklicherweise wieder schnell bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. Dies machten mir zu dieser Zeit auch Studienfreunde klar. Ich hatte durch das Studium wieder neue Ziele vor Augen und ein Stück weit zu mir selbst gefunden, denn das habe ich während der Pubertät versäumt.

Dank meiner Diabetologin, psychologischer Hilfe, meinem Mann und meinem liebstem Hobby, dem Sport, lernte ich mich selbst wieder Wert zu schätzen und meine Leistung nicht rapide abzuwerten. Ich setze mir nun immer wieder neue Ziele, sehe den Sinn im Leben dadurch wieder und mir ist bewusst, dass das Leben durchaus schöne Seiten hat. Die Krankheit bestimmt nicht mehr mein Leben, sondern ist „nur“ mein ständiger Begleiter. Letztendlich habe ich ihr auch meinen Ehrgeiz, meine Motivation und Beharrlichkeit zu verdanken. Das wurde mir bewusst und so kam es zum Perspektivenwechsel:

Im „Schlechten liegt das Gute“ verborgen.

Es hat alles gedauert und heute lebe ich ganz gut mit der Erkrankung, nehme an Marathons teil oder auch an 24-Stunden-Läufen. Ich arbeite selbst freiberuflich als Trainer und habe noch viel vor ;). Es ist wie es ist und so soll es eben sein. Zugegeben meine Blutzuckerwerte sind nicht immer die besten (das sind sie wohl bei niemanden), die Folgeschäden machen mir schon Angst und es wäre gelogen zu sagen, dass der Diabetes mir nie Probleme bereitet.

Aber er gehört eben dazu, hat seinen Platz eingenommen. Vorteile hat er mir ja nun auch beschert, seien es viele neue Kontakte, (insbesondere sportlicher) Ehrgeiz, interessante Jobs oder die Getränke, die ich in Konzerten einschleusen durfte ;). Also malen wir den Teufel mal nicht an die Wand…

Geteilte Freude ist doppelte Freude!Share on Google+Share on FacebookTweet about this on TwitterPin on Pinterest