Das solltest du über Diabetes Typ 1 wissen…

Neulich hat mir gegenüber mal wieder jemand den Mund aufgemacht, nur um seinen Vogel an die frische Luft zu lassen. Ernsthaft, es kann verletzend sein, wenn dich jemand direkt mit Vorurteilen in Sachen Diabetes Typ 1 konfrontiert. Nette Menschen hingegen stellen Fragen, etwa warum du der/die einzige mit Diabetes in deiner Familie bist, ob du den schweren, leichten oder gar hohen oder niedrigen Diabetes-Typen hast ;), ob du denn gar keinen Zucker essen darfst oder was da an deinem Bauch/Arm baumelt und wie das „Ding“ (die Insulinpumpe) funktioniert…

Egal wie. Es gibt ja im Prinzip 😉 keine doofen Fragen. Falls doch, fühle ich mich verpflichtet eine sarkastische Antwort zu geben. Heute mal nicht. Mit diesem Beitrag gebe ich euch einen Link/Beitrag für Nicht-Diabetiker an die Hand, der zumindest Grundsätzliches über Diabetes Typ 1 erklärt. Die Details, das eigentlich „Schwierige“ an Diabetes Typ 1, sind tatsächlich eine Wissenschaft für sich und das managen wir schon selbst und jeder anders, individuell… irgendwie… 😉
Die Sache mit dem Diabetes Typ 1: Diabetes ist kein Zuckerschlecken

Warum hast du Diabetes Typ 1?

Jeder Mensch benötigt Insulin, um zu überleben. Meine Bauchspeicheldrüse, vielmehr meine Betazellen, die Insulin produzieren sollten, sind jedoch defekt. Warum das so ist, weiß ich selbst nicht genau. Man hat mir in der Klinik erzählt, dass äußere Faktoren, etwa eine Virusinfektion und eine Fehlsteuerung des Immunsystems die Ursache seien. Im Verlauf der Virus-Erkrankung (an die meine Eltern und ich uns nicht erinnern können) haben sich meine Immunzellen (T-Lymphozyten) jedenfalls irrtümlicherweise gegen die Insulin-produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse (Betazellen) gerichtet und diese zerstört. Warum mein Körper so dumm ist und sich selbst zerstört, weiß ich nicht! Wie viele weitere Autoimmunerkrankungen ist auch Diabetes Typ 1 ein Rätsel. 

Pen und Pumpe, hast du den schweren Diabetes?

Mir steht kein körpereigenes Insulin mehr zur Verfügung. Ohne Insulin kann der durchs Essen zugeführte Energielieferant Glukose von den Körperzellen nicht mehr aufgenommen und verwertet werden: der Blutzucker steigt an. Um dem entgegen zu wirken, trage ich eine Insulinpumpe am Körper, die regelmäßig schnell wirksames Insulin abgibt. Das Insulin erhalte ich auf Rezept von meinem Diabetologen und fülle es selbst in die Insulinpumpe. Es wird über eine Kanüle/Nadel in meinen Körper gepumpt. Diese „Nadel“ muss ich regelmäßig, etwa alle 2-3 Tage wechseln, bzw. neu setzen/stechen, damit sich nichts entzündet. Das macht kein Arzt, das mache ich selbst.

Die Pumpe misst weder automatisch meinen Blutzucker noch weiß sie, wann ich etwas esse oder was sie zu tun und lassen hat, wenn ich Sport treibe oder sich sonstige Dinge in meinem Alltag verändern. Das alles muss ich ihr „sagen“ (im Kopf berechnen und programmieren), sie gibt „nur“ das Insulin regelmäßig ab, welches ich tagein, tagaus als Grundbedarf benötige, eben um zu überleben. Dafür bin ich ihr aber schon sehr dankbar!

Ich habe die Insulinpumpe nicht, weil ich etwa „schweren Diabetes“ habe, sondern weil es für mich die flexibelste und bessere Therapiemöglichkeit ist. Alternativ könnte ich mir natürlich das Insulin auch über einen Pen oder eine Einwegspritze spritzen. Dann würde ich ein lang wirksames Basal-Insulin (um den Grundbedarf zu decken) spritzen, welches 24 (oder 2×12) Stunden wirkt und zusätzlich noch zu den Mahlzeiten ein schnell wirksames Insulin. Das langsam wirksame Insulin hat bei mir allerdings nicht zu zufriedenstellenden Blutzuckerwerten geführt.

Über die Insulinpumpe, kann ich die Insulinbasis viel feiner (stündliche Basalrate) auf meinem Bedarf abstimmen. Das ist mitunter wichtig, um zu hohe und niedrige Blutzuckerwerte zu vermeiden.

Der Blutzucker und die Rechnerei

Wie beschrieben, misst meine Insulinpumpe nicht den Blutzucker und weiß auch nicht, wie viel Insulin sie abgeben soll, wenn ich ihr das nicht „sage“. Sie gibt nur den von mir einprogrammierten Grundbedarf ab. Um alles andere muss ich mich selbst kümmern.

Ich messe meinen Blutzucker mit einem Blutzuckermessgerät. Dazu stecke ich einen Teststreifen in das Blutzuckermessgerät, steche mir mit einer Lanzette/Stechhilfe in den Finger und tropfe das Blut auf den Teststreifen. (Alternativ nutzen viele den „Luxus“ eines CGMS/FGM). Dann erhalte ich innerhalb weniger Sekunden meinen Blutzuckerwert, mit dem ich dann weiter überlegen, planen, arbeiten kann.

Meine Grundüberlegung dabei:

  • Mein persönlicher(!) Butzucker-Normbereich liegt bei 70 mg/dl-180 mg/dl
  • Eine Einheit Insulin senkt meinen Blutzuckerwert um 30-40 mg/dl
  • Die Insulinwirkung setzt in etwa 15-30 Minuten ein
  • Für eine BE (10 Gramm Kohlenhydrate) benötige ich etwa 1,5 I.E. Insulin

Beispiel 1: Wenn ich einen Blutzuckerwert von 212 mg/dl messe, gebe ich über meine Insulinpumpe eine Einheit Insulin ab, um den Blutzuckerwert damit um 30-40 mg/dl zu korrigieren. 15 Minuten später senkt sich der Blutzuckerwert langsam, bis er wieder (hoffentlich) im Normbereich liegt.

Beispiel 2: Habe ich einen Blutzuckerwert von 100 und möchte 2 BE (20 Gramm Kohlenhydrate, das entspricht etwa einer Banane) essen, dann spritze ich dafür 3 I.E. Insulin und esse 15 Minuten später meine Banane oder was auch immer.

Klingt erst mal einfach, geht aber oft nicht so auf.

Was beeinflusst deinen Blutzucker?

Nicht nur Essen (gleichgültig, ob es gesund oder ungesund ist) beeinflusst meinen Blutzucker,… sondern… ALLES!

Was beeinflusst deinen Blutzucker

Jetzt fängt es an kompliziert zu werden. In 20 Jahren Diabetes-Karriere habe ich viele Erfahrungen sammeln können. Du weißt dann ungefähr einzuschätzen, welches Essen wie wirkt, wie Sport, Kaffee, Sonne, Party, Alkohol, Stress deinen Blutzucker beeinflussen und wie viel Insulin du dafür in etwa benötigst.

Dennoch kann man Hormone nicht überlisten, Klima, Kreislauf, Aufregung, Emotionen und auch „technische“ Probleme können Ursache für zu hohe oder niedrige Blutzuckerwerte sein. Etwa wenn die Insulinpumpe/Katheter/Kanüle nicht richtig sitzen, das Insulin nicht „durchläuft“. Es läuft eben nicht immer rund.

Aber das lass‘ mal meine Sorge sein ;). Ich gebe mein Bestes, nicht zuletzt um Akut-Komplikationen wie eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) und Überzuckerung (Hyperglykämie), aber auch Folgeerkrankungen zu vermeiden! Letzteres ist ein Thema über das Diabetiker ungern reden!

Diabetes ist kein Zuckerschlecken?

Richtig, Diabetes ist kein Zuckerschlecken! Diese „Weisheit“ ist aber NUR im übertragenem Sinne zu verstehen. Menschen mit Diabetes Typ 1 dürfen wie Gesunde auch, tatsächlich Zucker schlecken. ABER… es ist für uns deutlich schwieriger den Blutzucker mit zuckerreichen als mit (nahezu) zuckerfreien Lebensmitteln im Normbereich zu halten, sprich die richtige Insulindosis und -wirkung dafür zu schätzen.

Zuckerreiche Lebensmittel, etwa Weingummi erhöhen den Blutzucker schneller als zuckerärmere wie beispielsweise Möhren. Tatsächlich erhöhen aber auch Möhren den Blutzucker und auch für diese benötigen wir Insulin. Isst ein Diabetiker wenig Weingummi und ein anderer viele Möhren (Kohlenhydratmenge Weingummi = Kohlenhydratmenge Möhren) dann planen beide (bei gleichem Insulinfaktor/Voraussetzungen) zwar die gleiche Menge Insulin ein, aber der Weingummi-Esser einen größeren Spritz-Ess-Abstand. Während der Möhren-Esser das Insulin eventuell verzögert spritzt. Letzteres musst du nicht mehr verstehen ;))…

Was aber wichtig ist: JEDES Nahrungsmittel wird vom Körper in (Einfach-)Zucker (Glukose) zerlegt. Wenn es nun aber direkt als Glukose, etwa in Form von Traubenzucker zugeführt wird, muss es vom Körper nicht mehr verarbeitet werden und geht direkt ins Blut, der Blutzucker schießt nach oben. (Deswegen ist Traubenzucker auch unser Retter aus der Hypo).

Kurzum: Für uns Diabetiker ist es wichtig zu wissen, wie viele Kohlenhydrate das Lebensmittel beinhaltet, wie schnell es ins Blut geht. Auch abhängig davon, ob es pure Kohlenhydrate sind, die ich esse, oder ob diese in Eiweiß oder Fett gepackt sind. Das wird jetzt aber zu kompliziert ;).

Übung und Erfahrung macht den Meister. Wir sind da Profis, ich sag’s ja: „Diabetiker sind die besseren Ernährungsberater“. 

Was kannst du als Nicht-Diabetiker bei einer Hypo oder Hyper tun?

Als Diabetiker erkennst du die Anzeichen einer Unterzuckerung, wie etwa Schwitzen, Zittern, Sehstörung, Schlappheit. Kraftlosigkeit, etc. pp oft rechtzeitig und weißt was zu tun ist. Nämlich: schnelle Kohlenhydrate (Zucker) zuführen. Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel. Auch ich habe bereits bewusstlos am Maschsee gelegen und meine Unterzuckerung bei einem ausgiebigen Lauf nicht rechtzeitig wahrgenommen.

Am besten in einem solchen Fall: Notarzt rufen! Du weißt nicht, ob Diabetiker über- oder unterzuckert ist, wenn du dich mit dem Blutzuckermessgerät nicht auskennst. Außerdem sollte man NIEMANDEN etwas einflößen, wenn er bereits bewusstlos ist. Sonst besteht Erstickungsgefahr!

So jetzt wisst ihr Bescheid und mir bleibt nur zu sagen: „Hat ja niemand gesagt, dass Diabetes einfach ist…“

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